Swisslos fehlt die demokratische Legitimation, schreibt Andreas Abegg in seinem NZZ Artikel vom 11. Mai 2018. Die Genossenschaft sollte nicht über die Verwendung von Geldern unter Missachtung der Regeln des regionalen Konkordats entscheiden.
Gleich verschiedene öffentliche Unternehmen der Schweiz standen in den letzten Monaten im Scheinwerferlicht. Grund dafür ist der Spagat zwischen staatlicher Gemeinwohlorientierung und Wettbewerbsverhalten, der nicht immer gelingt. Ein öffentliches Unternehmen von weitreichender Finanzkraft ist bisher wenig thematisiert worden, obwohl es an einem Demokratie- und Rechtsstaatsdefizit leidet und aktuelle Reformbestrebungen wenig Besserung versprechen: die Genossenschaft Swisslos.
Verteilschlüssel verändert
Der Bund überlässt die Organisation von Lotterien weitgehend den Kantonen, welche sich zu Konkordaten zusammengeschlossen haben. Aus dem deutschschweizerischen Konkordat ist die Genossenschaft Swisslos hervorgegangen, deren Mitglieder die beteiligten Kantone sind. Sie führt Lotterien durch und verteilt den Reinertrag an die Kantone. In den Kantonen wird sodann über die Gelder im jeweiligen Lotteriefonds nach demokratischen Regeln entschieden. Von dieser demokratisch legitimierten Geldverteilung können die Swisslos-Kantone gestützt auf das regionale Konkordat mit einem qualifizierten Mehr abweichen, zum Beispiel um Gelder direkt an nationale Organisationen zu verteilen.
Ein von der Grünen Partei des Kantons Zürich in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt nun, dass diese Regeln offenbar nicht eingehalten werden und dass dringender Reformbedarf besteht: Ohne je die nötigen Rechtsetzungskompetenzen delegiert erhalten zu haben, änderte die Genossenschaft den Verteilschlüssel eigenmächtig bereits 1995 ab und missachtete dabei auch noch die Regeln von Statuten und Konkordat. Zudem entschied die Genossenschaft (und nicht etwa das Konkordat) im April 2016, jährlich zusätzliche 11 Millionen Franken zugunsten der Swiss Olympic Association zu sprechen – wiederum in Missachtung des regionalen Konkordats.
Dieses eigenmächtige Vorgehen ist aus Gründen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit problematisch: Die direkt durch die Genossenschaft verteilten Gelder werden den kantonalen Lotteriefonds und der entsprechend demokratisch legitimierten Verteilung entzogen. Eine rechtsstaatliche, öffentlichrechtliche Kontrolle der privatrechtlichen Genossenschaft findet nicht statt: Das Bundesgericht entschied vor zwei Jahren, dass weder Kantonspolitiker noch private Personen Entscheide von Swisslos anfechten können. Zudem vermag sich die Genossenschaft jeder Öffentlichkeit zu entziehen, da sie als «Unternehmen der Kantone» dem Öffentlichkeitsgesetz des Kantons Basel-Stadt nicht untersteht.
Spielräume erweitert
Das neue Geldspielgesetz des Bundes, über welches wir am 10. Juni abstimmen, verspricht mehr Transparenz bei der Mittelvergabe durch die Kantone. Diese haben das Versprechen des Bundes zwar aufgenommen und tatsächlich zu einer Revision angesetzt – bei welcher aber die erwähnten Probleme nicht angerührt wurden. Im Gegenteil: Die Spielräume von Swisslos wurden jüngst sogar noch erweitert, die politischen Parteien zur Vernehmlassung schon gar nicht eingeladen. Trotz Demokratie- und Rechtsstaatsdefizit und trotz dem Versprechen des Bundesgesetzgebers scheinen die Kantone die Vergabe der Lottomillionen im kleinen Kreise unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Rechtsstaatlichkeit beibehalten zu wollen.
Das gewachsene Konstrukt muss dringend überdacht werden. Die Genossenschaft Swisslos sollte mangels demokratischer Legitimation nicht selbst über die Verwendung der Gelder entscheiden, nationale Sportförderung müsste vielmehr für alle Kantone rechtsgleich auf nationaler Ebene beschlossen werden. Denn öffentliche Unternehmen sind nicht dazu da, Demokratie und Rechtsstaat zu umgehen, sondern um im Gemeinwohlinteresse effizient zu wirtschaften. Daran sind die Konkordate und ist Swisslos zu messen – und die laufende Reform dringend nachzubessern.
Andreas Abegg, NZZ Artikel