

NZZ Gastkommentar von Andreas Abegg vom 3. Januar 2017:
Gegen die Sharing-Economy wächst Widerstand. Die «traditionelle» Wirtschaft fordert, dass Plattformbetreiber denselben Regulierungen unterstellt oder verboten werden. Das ist der falsche Weg.
Was heute unter Sharing-Economy verstanden wird, geht über den klassischen Gedanken des Teilens hinaus. Online-Plattformen bringen zahlreiche Anbieter und Nachfrager zusammen, so dass der Austausch von Waren und Dienstleistungen nahezu überall und zu jeder Zeit stattfinden kann. Vor allem die einfache Zugänglichkeit und die tiefen Transaktionskosten der Sharing-Plattformen haben dazu geführt, dass sie häufig von Privatpersonen benutzt werden. Nicht wenige bestreiten – als Mikrounternehmer – ihren Lebensunterhalt mit Leistungen, welche sie über eine oder gar mehrere Plattformen anbieten.
Qualität und Transparenz
Bisher erliess der Gesetzgeber Regelungen, um den Problemen der traditionellen Wirtschaft des Taxi- und Hotelgewerbes entgegenzuwirken. Diese Probleme wie die Gefährdung von Menschen und Informationsdefizite von Fahr- oder Hotelgästen, welche Qualität und Preis im Voraus schlecht abschätzen können, werden nun aber teilweise durch die elektronischen Bewertungs- und Monitoring-Systeme der Plattformen gelöst.
Die gegenseitigen Bewertungen von Anbietern und Nachfragern sorgen für Qualität und eine erhebliche Transparenz: Fahrer und Fahrgast, Wohnungsvermieter und Mieter können einerseits das Verhalten des Partners in der anstehenden Transaktion abschätzen, und sie sind andererseits bemüht, den gegenseitigen Erwartungen gerecht zu werden, um vom Partner eine gute Bewertung zu erhalten.
Die ökonomischen Eigenheiten der Sharing-Economy, wie sie sich abzeichnen, sind somit nicht die gleichen wie bei der «traditionellen» Wirtschaft. Die Forderungen nach gleich langen oder gleich kurzen Spiessen gehen somit in die falsche Richtung. Die Angebote der Sharing-Economy sind von der verfassungsmässig garantierten Wirtschaftsfreiheit geschützt. Regelungen, die im Effekt Angebote der Sharing-Economy benachteiligen oder gar vom Markt ausschliessen, sind somit kritisch zu sehen. Das betrifft vor allem Regelungen, die einen Anbieter vorschnell zum «Gewerbe» zählen und mit einem Schwall von Regelungen belasten. Stattdessen sollte bei der Regulierung der Sharing-Economy die Trennung von Gewerbe und Privat grundsätzlich überdacht werden, da die Sharing-Economy diese Kategorien regelmässig unterläuft.
Anknüpfungspunkt für eine Regulierung kann dann direkt die Frage bilden, ob in bestimmten Situationen negative Externalitäten oder Informationsasymmetrien bestehen. Indem etwa Uber es einem Autofahrer ermöglicht, andere Personen zu transportieren, wird ein Gefährdungspotenzial geschaffen. Damit sollte Uber dafür verantwortlich sein, verhältnismässige Abklärungen zur Eignung des Fahrers zu treffen. Auch sollte die Gewerbsmässigkeit, d. h. die geplante Erzielung von Gewinn, nicht den Ausschlag dazu geben, ob jemand den Hotellerie-Regulierungen untersteht – Ansatzpunkt könnte hier vielmehr die Anzahl von Übernachtungen sein. Zudem besteht bei elektronischen Vermittlungsplattformen die traditionelle Informationsasymmetrie (z. B. zwischen Taxifahrer und Gast) typischerweise nicht mehr, weshalb damit zusammenhängende Regelungen wie die obligatorischen Taxuhren zu hinterfragen sind.
Problematisch ist, dass Staatsverwaltung und Polizei diese Diskussion anstelle des Gesetzgebers führen, indem sie die bestehenden Regulierungsvorgaben vor allem mit strafrechtlichen Mitteln durchzusetzen suchen.
Die Frage, ob die bisherigen Regulierungen der Offline-Welt überhaupt zur Sharing-Economy passen und noch rechtlich legitimiert sind, wurde bisher vom Gesetzgeber kaum behandelt. Problematisch ist dabei, dass Staatsverwaltung und Polizei diese Diskussion anstelle des Gesetzgebers führen, indem sie die bestehenden Regulierungsvorgaben vor allem mit strafrechtlichen Mitteln durchzusetzen suchen. Das Strafrecht, eigentlich Ultima Ratio des Rechts, wird damit zweckentfremdet, und die Regulierungsdiskussion wird auf dem Rücken jener ausgetragen, die versuchen, sich im neuen Sharing-Markt ein Leben zu verdienen.
Probleme bereiten auch die sozialen Normen des Vertragsrechts – zum Schutz von Arbeitnehmern, Mietern und in jüngerer Zeit auch Konsumenten. Richtigerweise werden die Zivilgerichte berücksichtigen, dass die vom sozialen Privatrecht vorausgesetzten Machtgefälle und Informationsdefizite in der Sharing-Economy regelmässig nicht bestehen. Eine über Internetplattformen vermittelte Übernachtung wird somit möglicherweise nicht als Untermiete samt ihren Schutznormen zugunsten des Untermieters, sondern als neuartige Vertragsform (Innominatvertrag) zu qualifizieren sein. Auch ist offensichtlich, dass nicht alle, die ihre Sharing-Leistungen über Internetplattformen anbieten, eines arbeitsrechtlichen Schutzes bedürfen. Gemessen an der bisherigen Rechtsprechung werden denn auch kaum je Arbeitsverträge vorliegen. Eine vom Gesetzgeber festgelegte minimale und einfach zu handhabende Existenzabsicherung wäre zudem einer übereilten Ausweitung des sozialen Vertragsrechts vorzuziehen.
Bessere Regulierung
Diesbezüglich verdienen denn auch die Regelungen des Zugangs zu den Vermittlungsplattformen sowie der damit verknüpften Monitoring- und Bewertungssysteme verstärkte Aufmerksamkeit. Die bisherige Selbstregulierung untersteht verschiedenen privatrechtlichen und bei entsprechendem Marktanteil möglicherweise dereinst den wettbewerbsrechtlichen Schranken. Der Gesetzgeber könnte sich diese Selbstregulierung denn auch zunutze machen, um bei den Sharing-Plattformen das in verbindlicher und transparenter Weise einzufordern, was diese explizit oder implizit versprechen: die bessere Regulierung der Sharing-Economy.
Andreas Abegg, NZZ Gastkommentar